Samstag, 6. August 2016

In Memoriam: Little Boy auf Hiroshima und Nakazawa's "Barefoot Gen"

Aus heiterem Himmel - aber von langer Hand geplant- fielen heute  vor 71 Jahren die Bomben unter den Decknamen Little Boy und Fat Man auf die beiden japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki. Die unerbittliche Kriegsbeteiligung Japans unter Kaiser  Hirohito auf der Seite der Deutschen und der Angriff der japanischen Marinestreitkräfte auf Pearl Harbour, nach dem die USA dann auch aktiv in den Zweiten Weltkrieg eingriffen, waren der Vorwand für den Einsatz der Waffe. Die Weigerung des Kaisers zu kapitulieren - in Deutschland war der Krieg bereits seit dem 8. Mai zu Ende - resultierte am 9.August 1945 in einem weiteren Atombombenabwurf auf Nagasaki.
Nagasakibombe: Charles Levy from one of the B-29 Superfortresses used in the attack. Dieses Bild wurde von einem Mitglied der United States Army während der Ausführung seiner Dienstpflichten erstellt. Quelle: wikimedia commons
Erst diese zweite Bombe - Fat Man - nötigte den japanischen Kaiser zur Kapitulation. Er blieb bis zu seinem Tod 1989 in Amt und Würden. Die USA begründeten auch den zweiten Abwurf damit, das Kriegsende erzwingen zu wollen. Die US-Streitkräfte erprobten die Auswirkungen der Waffe an zwei geographisch sehr unterschiedlichen Städten: Während Hiroshima in einer Bucht gelegen ist, in der sich die Wucht der Explosion voll entfalten konnte, liegt Nagasaki verstreut über und zwischen mehreren Hügeln. Über Hiroshhima wurde außerdem eine Bombe aus hoch angereichertem Uran abgeworfen wurde, über Nagasaki Plutonium gezündet. Die Auswirkungen der Explosionen waren entsprechend unterschiedlich. Sie wurden minutiös in Film und Foto während und nach dem Abwurf von den USA aufgezeichnet, um die Schlagkraft der Bombe für das Militär zu dokumentieren.

Sonntag, 26. Juni 2016

Kritik als Mainstream: "Culture Cuts" - eine Ausstellung von Cody Choi in Marseille

"Kulturschnitte" oder "Kultur schneidet" - so wäre die Übersetzung des Ausstellungstitels im Musée d'art contemporain in Marseille, die noch bis 28. August zu sehen ist. Sie zeigt eine umfassende Einzelausstellung des südkoreanischen Künstlers Cody Choi, dem diese museale Präsenz bereits 2015 in der Kunsthalle Düsseldorf  zuteil wurde. Dort heißt es zu ihm: 
"In Be­zie­hun­gen zu Mi­chel­an­ge­lo, Au­gus­te Ro­din, Mar­cel Duch­amp oder Ger­hard Rich­ter über­nimmt Choi west­li­che Kunst­wer­ke und da­mit be­reits for­mu­lier­te Hal­tun­gen, um sie im Sin­ne der Ap­pro­pria­ti­on Art neu zu de­fi­nie­ren."
Berühmte, allseits bekannte Schlüsselwerke der bildenden Kunst verwendet Cody Choi, indem er sie  mit lapidaren Kommentaren versieht, die suggerieren, koloniale und postkoloniale westliche Vereinnahmung sei mit den Kunstwerken fremder Kulturen ebenso verfahren. Das allerdings kommt ziemlich plump daher - hier einer der "worst cases" aus der Ausstellung:
 
"Episteme Sabotage - Sale for White Only", 2014

Freitag, 27. Mai 2016

Als Migrant überleben in Athen: Eine Ausstellung in Marseille

Simon aus Bangladesch wird im Juli 2012 von drei schwarzgekleideten Motorradfahrern mit dem Ausruf "schwarzer Pakistani" krankenhausreif geschlagen. Die Ärzte im Hospital machen nur die Unfallversorgung, alles andere lehnen sie ab, weil er keine Papiere hat. 6 Monate danach trägt er immer noch einen Gipsverband und kann nicht arbeiten. Seitdem hat er Angst, nach draußen zu gehen und bleibt deshalb überwiegend zu Hause. Allenfalls besucht er manchmal ein Restaurant seiner Landsleute in seiner unmittelbaren Nachbarschaft. 
Vidoestill aus "Moughtareb" von Stephanos Mangriotis
Das ist nur eine der Geschichten von Migranten, die als Fotodokumentation im Kino CineMetroArt im Mai in Marseille zu sehen war -  Geschichten, die zu eingeschränkter Bewegungsfreiheit, Jobverlust und öder Langweile führen, weil man nicht dazugehört und nirgendwo wirklich hingehen kann. Sicherheitshalber bleibt man lieber in seinem eigenen Ghetto wie Simon, wo man diejenigen trifft, denen es auch nicht besser geht. 

Freitag, 13. Mai 2016

Geschichten aus der Sklaverei (I): Die Prinzen von Calabar (Teil 2)


Der transatlantische Sklavenhandel wurde zur größten Zwangsumsiedlung der Menschheit, bei der schätzungsweise elf Millionen zwischen dem 17.und 18. Jahrhundert Menschen in die Neue Welt und nach Europa verschleppt wurden. Dieses immense Ausmaß konnte von den Opfern naturgemäß kaum dokumentiert werden. Dennoch gibt es einige wenig bekannte, spärliche Zeugnisse von Betroffenen. In einer mehrteiligen Serie zum Sklavenhandel und ihren unterschiedlichen Folgen möchte ich einige dieser Zeugnisse vorstellen.
In ihnen wird dieses belastende Thema weg von der bloßen Aufzählung geschichtlicher Fakten hin zu anschaulichen Geschichten von Einzelschicksalen verlagert, die trotz ihrer Einzigartigkeit und ihrer unterschiedlichen Perspektiven erhebliche Teile des blutigen Geschäfts beleuchten. Nicht zuletzt begreift man über sie die tiefgreifenden und verstörenden Veränderungen, die sich in den westafrikanischen Königreichen durch Sklavenhandel vollzog. In Anthony Hazard's Animationsfilm "The Atlantic Slave Trade" werden diese Veränderungen anschaulich gezeigt:

Wir hatten Ephraim und Ancona Robin-John an dem vielleicht entscheidensten Punkt ihres Lebens verlasssen - ihrer Gefangenahme und Versklavung in Folge eines Komplotts von Sklavenhändlern, bei dem es um Übervorteilung des Konkurrenten, Handelsrechten und Preise ging (s.Teil 1)

Ankunft in Roseau, Domenica und Flucht nach Bristol

Auch auf den Sklavenschiffen gab es im Übrigen eine Arbeitsteilung: Die umgänglichsten Sklaven wurden als Quartiersmeister eingesetzt, um die Essenszuteilung zu überwachen und aufkommende Rebellionen zu melden. Vermutlich hatten die Prinzen eine solche Stellung inne und konnten deshalb Privilegien erwerben. Ein solches Privileg war, beim Anlegen des ersten Hafens in Domenicas Hauptstadt Roseau direkt auf dem Schiff verkauft zu werden, wo die ersten Käufer, meistens Mitglieder von Behörden, an Bord gingen und auf Empfehlung des Kapitäns ein Vorverkaufsrecht genossen, um die beste ‘Ware‘ abzugreifen. Nur so konnte man – wenn man guten Kontakt zum Kapitän hatte – erwirken, dass Familien oder Paare zusammen verkauft wurden. 
Umgebautes Sklavenschiff. Unbekannter Autor / wikimedia

Dienstag, 3. Mai 2016

Geschichten aus der Sklaverei (I): Die Prinzen von Calabar (Teil 1)

Die Prinzen von Calabar (Teil 1)

Der transatlantische Sklavenhandel wurde zur größten Zwangsumsiedlung der Menschheit, bei der schätzungsweise elf Millionen Menschen zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert  in die Neue Welt und nach Europa verschleppt wurden. Dieses immense Ausmaß konnte von den Opfern naturgemäß kaum dokumentiert werden. Dennoch gibt es einige wenig bekannte, spärliche Zeugnisse von Betroffenen.
In einer mehrteiligen Serie zum Sklavenhandel und ihren unterschiedlichen Folgen möchte ich einige dieser Zeugnisse vorstellen. In ihnen wird dieses belastende Thema weg von der bloßen Aufzählung geschichtlicher Fakten hin zu anschaulichen Geschichten von Einzelschicksalen verlagert, die trotz ihrer Einzigartigkeit und ihrer unterschiedlichen Perspektiven erhebliche Teile des blutigen Geschäfts beleuchten. Nicht zuletzt begreift man über sie die tiefgreifenden und verstörenden Veränderungen, die sich in den westafrikanischen Königreichen durch Sklavenhandel vollzog. In Anthony Hazard's Animationsfilm "The Atlantic Slave Trade" werden diese Veränderungen anschaulich gezeigt:

“Die Prinzen von Calabar“ heißt das Buch des Historikers Randy J. Sparks aus New Orleans. In ihm beschreibt er seinen zufälligen Fund eines Briefwechsels von zwei versehentlich verschleppten afrikanischen Sklavenhändlern bei ihrem verzweifelten Kampf um ihre Befreiung. Sparks hat diesen Briefwechsel historisch aufgearbeitet und kommt dabei zu atemberaubenden Schlüssen. Sie beleuchten nicht nur das transatlantische Geflecht des afrikanisch-europäischen Sklavenhandles, sondern auch die beginnende Antisklaverei-Bewegung in Bristol. Dort beginnt der Briefwechsel zwischen den beiden Prinzen und den Brüdern Charles und John Wesley. Die Wesley-Brüder gehörten der Methodistenkirche in Bristol an, die zusammen mit der Quäkerbewegung die Sklaverei als verbrecherische Sünde ablehnten und sich für die Befreiung der beiden Prinzen einsetzten. In seinem Buch rekonstruiert er anhand der Briefe die Geschichte der Verschleppung und Befreiung der beiden afrikanischen Sklavenhändler Ephraim und Ancona Robin Robin-John.

Mittwoch, 6. April 2016

Banlieue Blues: Der Film "Bande de Filles" von Céline Sciamma

2005 brannten die Vorstädte von Paris und gingen als Aufstände der Banlieues in die traurige Geschichte der Chancenlosigkeit und Verwahrlosung der dort lebenden Jugendlichen ein. Deutschland Radio Kultur  erinnert in einer Sendung vom Oktober 2015 an die Unruhen vor damals zehn Jahren.
"Le Chêne-Pointu" ("Spitze Eiche"), so heißt die größte Plattenbausiedlung in Clichy-sous-Bois: 1.500 Wohnungen, achttausend Menschen, mehr als einhundert Nationen. Hier haben Zyed und Bouna gelebt, die beiden Jungen, die am 27. Oktober 2005 auf der Flucht vor der Polizei ein Stromschlag trifft. Hier brannten die ersten Autos.
Karte der Pariser Aufstände im Oktober 2005.Grafik: Nécropotame, Lizenz FAL, wikimedia

Montag, 8. Februar 2016

Kunst aus dem Osten der Republik (2)

Laure Bruce & Heidi Sill im Kunsthaus Erfurt  

 

"Evellyn", Zeichnung von Heidi Sill, 2012
Dem eher selten gezeigten Genre von Zeichnung und Collage widmete sich das Kunsthaus Erfurt mit Heidi Sill und der aus den USA stammenden Künstlerin Laura Bruce -  beide heute in Berlin lebend. Sowohl inhaltlich wie stilistisch gehen die beiden einen Dialog in den ungewöhnlich geschnittenen Räumen des Erfurter Projektraums ein. Laura Bruce's Arbeiten  im Eingang zeichnet zwei Wegbeschreibungen auf und kommt über sie zur Zeichnung, um so dem Betrachter sein eigenes Bild im Kopf entstehen zu lassen. Heidi Sill füllt mit roten und blauen Linien den Binnenraum eines Gesichts aus, das in seiner Ästhetik der Beautyfotografie von Models entlehnt ist.

"Follow the train tracks", Graphit auf Papier von Laura Bruce, 2015

Montag, 25. Januar 2016

Kunst aus dem Osten der Republik (1)

Apcalypse Now: Katrin Günther im Kunstverein Dessau

Großformatige Zeichnungen von Katrin Günther - Professorin für Darstellen und Gestalten an der Uni Konstanz - zeigt der Anhaltische Kunstverein Dessau noch bis zum 21. Februar. In nüchternen, penibel gesetzten dünnen Tuschezeichnungen entfaltet sich ein bestürzendes Gewirr von Linien, das teils abwärts ins Bodenlose führt, teils rasante Kurvenlagen hinlegt. In einer landschaftslosen Landschaft, ehemals wohl Brachen, hat sich neues Leben um einen Abgrund herum formiert.
Katrin Günther:"Urban Spring", Tusche auf Papier, 150 x 330cm (Ausschnitt)

Samstag, 2. Januar 2016

Manipulationen des Körperlichen - eine Ausstellung im Frankfurter Kunstverein

Schon immer wurde mit und am menschlichen Körper gearbeitet, nicht nur in der Medizin, aber vor allem dort. Das Sezieren von Leichen war eine Zäsur im Verständnis des körperlichen Innenlebens - allerdings erst, als das scholastische Denken des Mittelalters überwunden war und an dessen Stelle  empirisch-experimentell geforscht werden konnte. Eine ähnliche Zäsur setzt heute das digitale Zeitalter, die die medizinische Forschung mit ihren bildgebenden Mitteln enorm voran getrieben hat. Diese Entwicklung künstlerisch zu verarbeiten, die ja selbst von der Digitalisierung profitiert und sich dadurch formal wie inhaltlich verändert hat, war nun dem Kunstverein Frankfurt eine Ausstellung unter dem Titel "Körper–Ich: Körper im Zeitalter digitaler Technologien" wert, die noch bis zum 10. Januar 2016 zu sehen ist.
Videostill aus: "Da Vinci"von Yuri Ancarani
Vor allem Unbehagen ist der Tenor der meisten Arbeiten der Künstler, die hier kuratiert wurden. Manipulation und Unterwerfung unter eine Maschinenwelt, die unsere Erfinderintelligenz in sich trägt, aber uns nun verselbstständigt gegenüber tritt, scheint der neue Frankenstein-Virus zu sein.